Teilnehmende Beobachtung

Methode zur Datensammlung, die sich relativ leicht in den Praxisalltag integrieren lässt

Teilnehmende Beobachtung ist eine Methode der Datensammlung, die sich relativ leicht in den Praxisalltag integrieren lässt, weil sie wenig aufwendig und sehr alltagsnah ist. Bei einer teilnehmenden Beobachtung begeben sich die Beobachterinnen und Beobachter in das zu beobachtende Setting und nehmen aktiv daran teil. Sie verfassen Notizen, die anschließend ausgewertet werden.

Die wissenschaftliche Methode der teilnehmenden Beobachtung unterscheidet sich von alltäglichen Formen der Teilnahme und Beobachtung in dreifacher Hinsicht: durch Absicht, Selektion und Auswertung (Schöne 2003). Wenn wir teilnehmend beobachten, um zum Beispiel für eine Bedarfserhebung oder Evaluation Daten zu sammeln, verfolgen wir ein bestimmtes Ziel beziehungsweise einen Zweck, wählen aus unseren Wahrnehmungen nur bestimmte Aspekte aus und werten diese systematisch aus.

Voraussetzungen

  • Genügend Zeit für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Beobachtung
  • Bei Einsatz der Methode in privaten oder semi-öffentlichen Räumen vorher Genehmigung einholen

Anwendungsbereiche

  • Bedarfserhebung
  • Evaluation
  • Kontinuierliches Lernen und Verbessern der eigenen Arbeit

Arbeitsschritte im Überblick

1. Vorbereitung

2. Durchführung der Beobachtung(en)

3. Auswertung der Beobachtungen

Aufwand

Zeit

Je nachdem, zu welchem Zweck und wo Daten durch Beobachtung gesammelt werden, variiert der zeitliche Aufwand erheblich. Es sollte genug Zeit eingeplant werden, um die Beobachtung vorzubereiten (Vorbesprechung, ggf. Beobachtungsbogen und Pretest), durchzuführen (am besten mehrere Male) und auszuwerten.

Personal

Wenn möglich, sollten mehrere Personen gleichzeitig beobachten, da so verschiedene Eindrücke und Blickwinkel erhoben werden können (Vielfalt der Perspektiven). Es bietet sich an, Beobachterinnen und Beobachter auszuwählen, die sich gut in das jeweilige Setting, in dem die Beobachtung stattfinden soll, einfinden können und keine Berührungsängste haben.

Material

Es kann ein Beobachtungsbogen erstellt und eingesetzt werden, Notizen können jedoch auch ohne vorstrukturierten Bogen auf Papier oder mit einem PC erstellt werden. Fotos und Videokameras können unterstützend eingesetzt werden, wobei aber darauf zu achten ist, die Privatsphäre anderer Personen nicht zu verletzen und ggf. eine Genehmigung einzuholen.

Arbeitsschritte im Einzelnen

1. Vorbereitung

Im Vorfeld wird geklärt, zu welchem Zweck die teilnehmende Beobachtung stattfinden soll. Zum Beispiel kann die teilnehmende Beobachtung dazu dienen, die Wirkung einer gesundheitsfördernden oder präventiven Maßnahme zu evaluieren, in dem die Reaktionen der Zielgruppe beobachtet werden.

In der Vorbereitung wird besprochen, worauf bei der Beobachtung zu achten ist. Sollen zum Beispiel Publikumsreaktionen auf eine Aktion beobachtet werden, können verschiedene Positionen für Beobachtungen in Erwägung gezogen werden, ebenso bestimmte Handlungen der Zielgruppe (Aufmerksamkeit, Teilnahme, Lachen, Beifall etc). Hierbei sollten nicht nur Anzeichen für die erwünschte Wirkung, sondern auch für mögliche unerwünschte Wirkungen und Reaktionen beobachtet werden.

Es wird geklärt, wann und wie Beobachtungen zu notieren sind: während oder nach der Teilnahme im Setting, mit oder ohne vorstrukturierten Bogen; mit oder ohne Fotos oder Videoaufnahme. Es ist immer gut, eine Methode vorher auszuprobieren und wie alle Instrumente der Datenerhebung sollten auch Beobachtungsbögen einem Pretest (Probelauf) unterzogen werden.

2. Durchführung der teilnehmenden Beobachtung

Die teilnehmende Beobachtung soll das Geschehen im Setting so wenig wie möglich stören. Wichtige Personen im Setting sollten über die Datenerhebung vorher informiert werden (z.B. Wirte von Lokalen, in denen die Publikumsreaktionen auf eine Präventionsaktion beobachtet werden). Es kann sich anbieten, mehrere Beobachterinnen und Beobachter gleichzeitig einzusetzen, um verschiedene Eindrücke und Perspektiven zu erheben. Dies kann auch durch Fotos oder Videokameras unterstützt werden (auf Datenschutz und Schutz der Privatsphäre ist allerdings zu achten).

Ausführliche Notizen werden am besten im Nachhinein verfasst, wobei es sich anbieten kann, Eindrücke und Wahrnehmungen stichwortartig vor Ort zu notieren. Im Anschluss werden diese Notizen schriftlich ausformuliert, wobei die Beschreibungen der Beobachtungen so detailliert wie möglich verfasst werden. Je länger und häufiger die teilnehmende Beobachtung in einem Setting stattfindet, umso besser werden in der Regel die Daten - denn wiederholt man die Beobachtung mehrere Male, umso klarer sieht man bestimmte Muster und Ausnahmen und umso schärfer wird die Wahrnehmung.

3. Auswertung der Beobachtungen

Die Notizen werden in eine Textdatei  eingegeben. Aus den Notizen sollte klar ersichtlich sein, welche Beobachtungen wann von welcher Person und aus welcher Perspektive gemacht wurden. Das Auswertungsteam liest alle Beobachtungen und vergleicht sie miteinander. Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den Beobachtungen werden interpretiert. Oft sind insbesondere die Unterschiede sehr aufschlussreich. Diese Daten können auch herangezogen werden, um andere Daten, wie Interviews oder Blitzbefragungen zu ergänzen.

Achtung !

  • Die Beobachterinnen und Beobachter sollten möglichst offen und aufgeschlossen in das Setting gehen, damit sie auch Dinge wahrnehmen können, mit denen sie nicht gerechnet haben.
  • Beim Beobachten sollte man den Anspruch loslassen, alles mitzubekommen und stattdessen, das, was man sieht, genau und aufmerksam betrachten.
  • Beim Verfassen der Notizen, insbesondere der ausführlichen Version am Computer, sollten möglichst detailreiche Beschreibungen festgehalten werden.
  • Bei den Notizen geht es zunächst um gute Beschreibungen und weniger um Bewertungen oder Interpretationen. Es ist hilfreich, diese Schritte so klar wie möglich zu trennen: 1) Wahrnehmungen durch Beobachtung und Teilnahme (im Setting/Feld); 2) Beschreibung (beim Verfassen der Notizen); 3) Bewertung und Interpretation (bei der Auswertung im Team).

Weitere Tipps

  • Verschiedene Beobachtungen des gleichen Phänomens sind möglich (abhängig z.B. von der Perspektive)
  • Verschiedene Interpretationen der gleichen Beobachtung sind möglich (abhängig z.B. vom Hintergrund der Person, die die Beobachtung bewertet)
Autor/-innen:
Unger/Block/Wright

Diese Methode gehört zu den Kapiteln: